Silberner Kranich im roten Feld – das Wappen der Grafschaft Greyerz. An vielen Orten im Schloss Greyerz entdeckt man ihn. Der Kranich (Grue) symbolisiert Wachsamkeit, Unsterblichkeit und Langlebigkeit – eine starke Kombination. So wundert es nicht, dass der Vogel nicht nur in der Westschweiz, sondern auch in vielen anderen Regionen als Wappentier anzutreffen ist, so beispielweise in Den Haag, im Burgund, in Savoyen, in den Ardennen und in der Provence. In der Schweiz erscheint der Kranich erstmals im Jahre 1221 als Wappentier von Rudolph III., jedoch wird der Vogel bereits 1139 mit der Grafschaft Greyerz in Verbindung gebracht.

Doch wie kommt es, dass eine kleine Ortschaft in der Westschweiz so berühmt geworden ist? Am heute so bekannten Greyerzer Doppelrahm allein kann es nicht liegen, dieser kam erst später hinzu. Ich beschliesse der Sache auf den Grund zu gehen und geniesse einen wunderbaren Frühlingstag im Städtchen Greyerz.

Die Geschichte des Schlosses und der Grafen von Greyerz

Das Schloss Greyerz war fünf Jahrhunderte lang Wohnsitz einer einzigen herrschaftlichen Familie und hat mit ihr turbulente Zeiten erlebt. Schloss und Städtchen sind unverkennbar, denn sie thronen auf einem charakteristischen Hügel. Eine erste Befestigungsanlage entsteht im 12. Jahrhundert. Die Gründung der Stadt Freiburg stellt erstmals eine Bedrohung für den Verteidigungssitz dar, weshalb die Grafen von Greyerz die Festungsmauern ausbauen lassen. Im 13. Jahrhundert wird die Burg errichtet und gilt fortan als Hauptresidenz eines der bedeutendsten Westschweizer Adelsgeschlechter des Mittelalters.

Im 15. und im 16. Jahrhundert verwandeln umfangreiche Bauarbeiten die Burg in ein Schloss, doch erlischt die Dynastie im Jahr 1554 mit Graf Michael, der aufgrund von Geldproblemen seinen gesamten Besitz an die Kantone Bern und Freiburg abtreten muss. Bald darauf ernennen Freiburger Vögte das Schloss zu ihrem Wohnsitz. Ihnen folgen die Oberamtmänner im Jahr 1798, welche die Vögte absetzen – ausgelöst durch eine Reorganisation des Kantons. Die ehemalige Grafenresidenz bleibt das Verwaltungszentrum von Greyerz bis Bulle zum Hauptort des Bezirkes gewählt wird. So steht das Schloss ab 1848 zum Verkauf und wird 1849 von den Brüdern Bovy aus Genf erworben, die es renovieren und zu ihrer Sommerresidenz machen. Im Jahr 1938 übernimmt der Staat Freiburg das Schloss und macht es für die Öffentlichkeit zugänglich.

Neben dem Schloss Chillon gehört Greyerz heute zur meistbesuchten Festung der Schweiz. Es ist ein Museum mit einer historischen Sammlung sowie ein Veranstaltungsort mit Kulturanlässen.

Zu Besuch im Schloss

Es ist alles gut organisiert, die Parkplätze sind begehrt. Andachtsvoll laufe ich den Hügel hoch, bin aber nicht die Einzige – eine unter Vielen sozusagen. Malerischer könnte der Eintritt in den unteren Stadtteil kaum sein: Nach dem Tor öffnet sich eine breite Strasse mit Häusern bzw. Läden zu beiden Seiten. Man spürt sofort den Charme des mittelalterlichen Städtchens. Mein Weg geht an einem alten Brunnen vorbei, dann führt eine steilere Strasse hoch zum Schloss. Erneut sticht mir ein Brunnen ins Auge, aber auch die Schlosskapelle, welche sich im westlichen Teil des Hofes befindet und Johannes dem Täufer gewidmet ist. Die Kapelle, ursprünglich im romanisch-burgundischen Stil errichtet, trägt heute spätgotische Züge.

Küche und Saal der Wachen

Als erstes betrete ich die Küche, die früher lediglich von einer einzigen Schiessscharte erhellt wurde. Durch einen Umbau im 15. Jahrhundert lässt man etwas mehr Licht herein und baut zusätzlich einen Backofen ein. Die gezeigten Küchengeräte stammen aus neuerer Zeit.

Ursprünglich gelangte man über die Wendeltreppe in den Saal der Wachen. Dort fällt der grosse Kamin auf, wo früher ganze Rinder gebraten wurden. Vermutlich war der Raum für die Wachen des Grafen bestimmt, die sich zwischen ihren Runden hier ausruhen durften.

Burgundersaal, Salon Corot und Saal der Grafen

Immer wieder gab es Grafen, die sich in Schlachten auszeichneten und Trophäen mit nach Hause nahmen. Im Burgundersaal des Schlosses Greyerz sind solche prachtvollen Beutestücke ausgestellt, so beispielsweise die Zeremonienmäntel des Ordens vom Goldenen Vlies, welche in der Schlacht bei Murten während der Herrschaft von Karl dem Kühnen erobert wurden. Die Eidgenossen waren mit ihren Hellebarden und Pikenieren in der Schlacht gefürchtete Gegner. Deshalb sehen wir im Burgundersaal auch solche Waffen an den Wänden hängen.

Der Salon Corot ist ein Werk der Brüder Bovy, welche Künstlerfreunde einladen und diese mit einer Neueinrichtung beauftragen. Die beiden Maler Jean-Baptiste Camille Corot (1796-1875) und Barthélemy Menn (1815-1893) sind an der Dekoration des Salons beteiligt. Corot schmückt das Tafelwerk mit vier Landschaftsdarstellungen aus.

Im Saal der Grafen versuchen die Brüder Bovy den Glanz der Grafenzeit wiederzubeleben. Denn im späten 19. Jahrhundert entdeckt man die Zeit des Mittelalters wieder und richtet so genannte historische Säle ein. Zur Möblierung werden deshalb Pariser Wandteppiche aus dem 16. Jahrhundert, in Antiquarien mehrere alte Möbelstücke wie ein Bett im gotischen Stil aus dem 15. Jahrhundert sowie ein Buffet von Graf Johann I (reg. 1500-1514) und ein Stuhl von Graf Johann II (reg. 1514-1539) erworben. Auf den Wandteppichen sind höfische Szenen und Geschichten aus dem Alten Testament dargestellt.

Musiksalon und Jagdsaal

Im Musiksalon vergnügte sich die Familie Bovy mit Gesang, Theater und Tanz. Die gefundenen Notizbücher berichten über ihren Alltag: Ausflüge, Gäste und feierliche Abendunterhaltungen. Die befreundeten Künstler der Familie komponierten sogar eigene Musik-Stücke. Das ausgestellte Piano wurde jedoch in Genf für Franz Liszt hergestellt.

Auch ein Jagdsaal darf in einem richtigen Schloss nicht fehlen. Das Hobby wurde von den Grafen intensiv betrieben, zumal sie sich in einer besonders waldreichen Gegend befanden. Die Trophäen im Saal erinnern noch an diese damals noble Tätigkeit.

Barocksaal und Rittersaal

Die in der Barockzeit erstellte Decke gibt dem Raum seinen Namen. An den Wänden hängen hingegen Gemälde von Daniel Bovy, der selbst Maler war. Zu den bekanntesten Künstlern der Familie gehört Antoine Bovy (1795-1877) – ein Bildhauer und Medailleur. Er prägte die noch heute im Gebrauch befindlichen Schweizer Münzen zu fünfzig Rappen, ein, zwei und fünf Franken (siehe dazu meinen Beitrag zu Arnold Böcklin, dem dieser Auftrag ursprünglich zugesprochen wurde). Im Barocksaal sehen wir Bronzemedaillen von Bovy, unter anderem die Gravur der Allegorie „Sitzende Helvetia im Profil“ aus dem Jahr 1850, welche von der Schweizerischen Nationalbank umgesetzt wurde.

Als Andenken an die Grafen von Greyerz lässt Daniel Bovy den Rittersaal errichten und erschafft mit Künstlern wie Barthélemy Menn einen Heldenepos der Grafen von Greyerz. Aus regionalen Sagen wird in 13 Gemälden ein Zyklus kreiert, der weniger auf historische Ereignisse eingeht, sondern vielmehr auf Heldentaten der Grafen. Zur Erschaffung des Raumes werden die Wandmalereien aus der Zeit der Landvögte überdeckt.

Anschliessend an die Besichtigung lasse ich es mir natürlich nicht nehmen, die gar touristisch anmutenden Läden anzuschauen sowie als ‘Pflichtprogramm’ eine Meringue mit Double-Creme zu essen.

Wenn du ein Fan bist, solltest du das HR Giger Museum, welches sich quasi um die Ecke befindet, nicht verpassen. Oder natürlich, was mehr meinem Geschmack entspricht, einen Blick in die Schaukäserei (La Maison du Gruyère) werfen.

Dieses Video gibt dir einen Einblick in die verschiedenen Räumlichkeiten des Schlosses:

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Siehe dir auch meinen Museumstipp für das Museum für Kommunikation in Bern an.

Bilderquellen/Copyright: Eigene Aufnahmen aus dem Schloss Greyerz sowie für die Titelbilder mit freundlicher Genehmigung von der Regionsseite (La Gruyère Tourisme) und der Schloss-Website (© Château de Gruyères).

 

Literatur

  • Gremaud, Henri/Chatton, Etienne: Schloss Greyerz. Villars-sur-Glâne, 2019.