Welche Rolle spielt die Naturbeobachtung bei Künstlern wie Pisanello im Quattrocento? Was sind die Entwicklungen der höfischen Kunst in Italien zur Zeit der Renaissance? Inwiefern revolutioniert sich die italienische Kunst in dieser Zeit und welche Bedeutung hat dabei der europäische Kulturtransfer?

Pisanello – höfische Eleganz und Natur als Lehrmeisterin

All dies sind wichtige Fragen im Zusammenhang mit den Werken von Antonio Pisanello (1395-1455), auch als Antonio di Puccio Pisano bekannt . Denn gerade in Italien in der Zeit der Frührenaissance liefert die unmittelbare Auseinandersetzung mit der als nationales Erbe empfundenen antiken Kunst eine breite Grundlage für eine bedeutsame Stilentwicklung. Das Streben nach Wahrheit und Natürlichkeit wird in der Kunst immer wichtiger. Vermehrt beginnen die Künstler die Welt nicht mehr stilisierend abzubilden, sondern sie so darzustellen wie sie in Wirklichkeit ist. Dabei dient die Natur als grosse Lehrmeisterin. Aber auch die Darstellungsmöglichkeiten von Raum und Perspektive ändern sich. Es werden komplizierte Raumgebilde konstruiert und ausgefallene Blickpunkte gesucht.

Durch den Wirklichkeitsgedanken getragen dringen neue Bildelemente in die Malerei ein. So etabliert sich beispielsweise die Darstellung der Landschaft in sakralen Gemälden und der goldene Hintergrund wird gleichzeitig immer weniger zu sehen sein. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass sich die Kunst in ihrer Funktion erweitert. Ihre Verwendung ist nun nicht mehr ausschliesslich auf den kirchlichen Bereich beschränkt, sie wird zunehmend Gegenstand des individuellen Kunstgenusses. Dies wiederum führt zu einem internationalen Austausch der Kunst. Vielfach verkörpern dabei Höfe diese kulturellen Austauschzentren. Dort lassen sich nicht nur private Auftraggeber oder reiche Adlige, sondern auch Künstler untereinander von fremden Einflüssen inspirieren.

In den Genuss eines solchen Einflusses kommt auch der Maler Antonio Pisanello. Der Künstler lässt sich nicht nur von Eigenen, sondern auch von fremden Gedanken anregen. Er schätzt das genaue Studium der Natur und verkörpert wie kaum ein anderer Meister die höfische Eleganz in der Malerei. All dies wird ersichtlich in seinem erhalten gebliebenen Wandbild in der Kirche St. Anastasia in Verona.

Fresko von Pisanello in der Kirche S. Anastasia in Verona

Abbildung Weihwasserbecken, Basilika Sant' Anastasia, Verona

Weihwasserbecken, S. Anastasia, Verona

Sant‘ Anastasia ist die grösste Kirche in Verona und sie stellt ein Paradebeispiel italienischer Gotik dar. Ursprünglich vorgesehen sind zwei Kirchen nebeneinander zu bauen, welche der ostgotische König Theoderich in Auftrag gibt. Doch 1261 werden die Dominikanermönche fra‘ Nicolo von Imola und fra‘ Benvenuto von Bologna einberufen und ihr Projektvorschlag einer einzigen Kirche setzt sich im Jahr 1290 durch. Die Bauarbeiten werden erst im Jahr 1500 beendet. Einzig die Fassade der Kirche wurde bis heute nie vollendet.

Ihr Inneres gleicht einer Gemäldegalerie und man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Bekannte und weniger bekannte Künstler reihen sich dicht aneinander. Das Fresko von Pisanello befindet sich in der Pellegrini Kapelle und trägt den Namen Sankt Georg, die Prinzessin und der Drache (oder auch Aufbruch des hl. Georg zum Kampf mit dem Drachen). Das Fresko befand sich ursprünglich auf dem Bogen der Giusti Kapelle. Pisanello hält sich circa von 1436 bis mindestens 1438 in Verona auf und führt in diesem Zeitraum die Malerarbeiten in der Kirche S. Anastasia aus.

Das Fresko zeigt auf der rechten Seite den heiligen Georg in der Mitte des Bildes stehend neben seinem Pferd, welches nur von hinten zu sehen ist. Der heilige Georg macht sich auf, um den Drachen zu besiegen und die Prinzessin zu retten, welche links von seinem Pferd zu sehen ist. Im Hintergrund ist eine Stadt ersichtlich sowie zwei gehängte Personen und eine Personengruppe. Neben der Prinzessin sind weitere Reiter zu Pferde dargestellt. Auf der linken Seite des Bogens erblickt man den Drachen.

Die Szene wiederspiegelt einerseits das Ritterleben, andererseits betont sie die naturalistischen Themen. Typisch für die höfische Gotik wird hier nicht die Schlacht von Georg mit dem Drachen dargestellt, sondern der Augenblick von der Verabschiedung der Prinzessin, welche eine üppige und edle Haartracht trägt. Auch der Heilige selbst trägt ein edles Gewand, passend zur höfischen Kultur. Ungewöhnlich für den Betrachter erscheint das Pferd in Rückenansicht in der Mitte des Freskos auf der rechten Seite. Dieses gibt dem Werk eine Raumtiefe durch die perspektivische Verkürzung. Das Pferd stellt aber auch eines seiner Lieblingsmotive dar.

Pisanello – einer der ersten Universalkünstler

Nicht nur Tierdarstellungen, sondern auch Abbildungen von Menschen, insbesondere Portraits, bringt der Künstler auf ein neues Niveau. Sein weicher Stil lässt Körper und Gewand zu einer einheitlich fliessenden Gesamtbewegung verschmelzen. Details wie Haare oder Schmuck kommen besonders zur Geltung. Dank eigener Naturbeobachtung gelingt es dem Künstler gegenständliche Vielfalt in allen Bereichen zu erfassen – bis ins kleinste Detail. Der Fokus seines Schaffens liegt aber nicht nur auf der Malerei und der Graphik, sondern erfasst auch die Medaillen- und somit die Portraitkunst. Pisanello gehört somit zu den ersten Universalkünstlern der Renaissance.

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Weitere Bilder zu Pisanellos Bildnismedaillen findet ihr hier . Zudem kann ich euch dieses Video zum Fresko Sankt Georg, die Prinzessin und der Drache in der Kirche Sant‘ Anastasia in Verona empfehlen:

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Literatur

  • Hatje, Ursula: Knaurs Stilkunde. Von der Antike bis zur Gegenwart, München, Zürich 1963.
  • Degenhart, Bernhard: Antonio Pisanello, Wien 1941. (Dritte Auflage)
  • Degenhart, Bernhard und Schmitt, Annegrit: Pisanello und Bono da Ferrara, München 1995.
  • Degenhart, Bernhard und Schmitt, Annegrit: Pisanello und seine Werkstatt. Corpus der  italienischen Zeichnungen 1300-1450. Das Taccuino di Viaggio, ein  Reisemusterbuch der Pisanello-Werkstatt als frühes Zeugnis enger Arbeitsgemeinschaft, München 2004 (2 Bände).
  • Freigang, Christian und Schmitt, Jean-Claude: Hofkultur in Frankreich und Europa im Spätmittelalter, Berlin 2005.
  • Wundram, Manfred: Renaissance, Kunst-Epochen, Stuttgart 2004 (Band 6).

Bilderquelle: Eigene Aufnahmen, Sant’Anastasia, Verona sowie Degenhart und Schmitt, 2004.