Im ersten Teil über die japanische Malerei und Druckgrafik möchte ich dir die Kunst der Edo-Zeit, insbesondere die Ukiyo-e, aufzeigen. Zuerst erkläre ich, was der Begriff Japonismus bedeutet und nehme eine kurze Einordnung in den geschichtlichen Kontext vor. Danach gehe ich auf die Edo-Zeit ein, bevor ich auf die Malerei der fliessenden Welt (Ukiyo-e) zu sprechen komme, welche die Malerei und Druckgrafik der Edo-Zeit dominierte. Die beiden berühmtesten Künstler dieser Zeit waren Utagawa Hiroshige und Katsushika Hokusai, deren Lebensläufe ich als Nächstes vorstelle.

Im zweiten Teil erläutere ich dir die japanische Malerei und Druckgrafik im Westen und zwar gehe ich spezifisch auf die frühe Rezeption in Frankreich ein – mit Künstlern wie Vincent van Gogh, Claude Monet und Edgar Degas. Diese Thematik ist sehr aktuell, da die japanische Kunst und Kultur gerade in der heutigen, von Wirtschaftskrisen geprägten Zeit wieder grossen Anklang findet sowohl bei den Künstlern als auch in der Bevölkerung, indem sie durch ihre Einfachheit und Schlichtheit beeindruckt. Dabei faszinieren nicht nur die japanischen Bräuche und Traditionen, die in der Kultur verankert sind, sondern auch die japanische Architektur und Kunst. Wir sind vor allem von der Natürlichkeit und Bescheidenheit fasziniert, die das Japanische zum Ausdruck bringt.

Zum Begriff Japonismus (Japanismus, Japonisme)

Nach einer langen Zeitspanne der Isolation, die über 200 Jahre dauert, führen Handelsabkommen zwischen den Kolonialmächten und der japanischen Regierung im Jahr 1858 zur erneuten Öffnung Japans. Sogleich beginnt ein reger Austausch an Waren. Auch kulturelle Kontakte gewinnen an Bedeutung – vor allem dank Reisenden. So gelangen japanische Farbholzschnitte und Drucke rasch nach Europa. Der Wert dieser Drucke wird schnell erkannt, worauf im Westen ein regelrechter Sammeleifer japanischer Kunst einsetzt. Viele Gelehrte und Künstler unternehmen Reisen nach Japan und werden von der japanischen Kunst und Kultur beeinflusst. Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass dieser Einfluss natürlich nicht einseitig ist, sondern dass sich auch viele japanische Künstler von der westlichen Welt inspirieren lassen. Die Weltausstellung im Jahre 1862 zeigt erstmals eine Reihe dieser Werke. Aber erst anlässlich der Weltausstellung im Jahre 1867 wird die grosse Nachfrage nach japanischen Holzschnitten sichtbar. Viele in Frankreich lebende Künstler, unter anderem Vincent van Gogh, Claude Monet, Edgar Degas, Paul Gauguin und Paul Cézanne, geraten unter den Einfluss japanischer Kunst – in Einzelfällen bis hin zur direkten Imitation. Durch die Rezeption dieser japanischen Werke entsteht der Japonismus.

Der Begriff Japonismus – auch Japanismus oder Japonisme genannt – bezeichnet somit die Rezeption japanischer Kunst durch die Künstler der westlichen Welt. Der Japonismus bezieht sich aber weder auf einen bestimmten Stil, noch kann er einer bestimmten Periode zugeordnet werden. Seinen Höhepunkt erlangt er in den 1880er Jahren. Aber das europäische Interesse an japanischen Kunstwerken setzt schon früher ein, nämlich kurz nach der erwähnten Öffnung Japans in den 1850er Jahren. Begünstigt durch den kulturellen Austausch verbreitet sich die japanische Malerei und Druckgrafik rasch und beeinflusst bald Künstler in ganz Europa. Dabei spielen der so genannte Ukiyo-e– Stil sowie die Stadt Edo eine wichtige Rolle, worauf ich nun eingehe.

Die Edo-Zeit (1616 – ca. 1868)

Nach einer Epoche von Unruhen und Umbrüchen wird die Hauptstadt Japans im Jahre 1616 aus politischen Gründen vom Shogun Tokugawa Ieyasu in ein damals kleines Fischerdorf namens Edo verlegt, welches sich weit weg von der alten Kaiserstadt Kioto befindet. Damit beginnt die Edo-Zeit, die bis zum Jahr 1868 andauert. Sie umfasst die längste ununterbrochene Friedensperiode eines Landes weltweit. Edo gewinnt dank seinem günstigen Standort rasch an Bedeutung und wird trotz Isolation nach Aussen schnell zum ökonomischen und kulturellen Handelszentrum Japans. Es handelt sich dabei um das heutige Tokio.

Die japanische Gesellschaft ist ursprünglich von einem strengen Familiensystem geprägt, welches auf der konfuzianischen Morallehre aufbaut. Durch den Handel entsteht in Edo ein immer reicher werdendes Bürgertum, das sich dem Lebensgenuss öffnet und somit ganz nach dem Begriff des Ukiyo lebt. Dadurch bilden sich Vergnügungsviertel in der Stadt. Diese sind nun Schauplatz der neuen Kunstgattung des Holzschnittes, die beim Bürgertum grossen Anklang findet – dem Ukiyo-e.

Ukiyo-e – die Malerei der fliessenden Welt

Gemäss Lésoualc’h bedeutet Ukiyo übersetzt ‚fliessende Welt’ oder auch ‚das Leben, das man geniessen kann’. Der Begriff taucht in der Edo-Epoche im Jahre 1681 das erste Mal auf. Die fliessende Welt symbolisiert die vergängliche und flüchtige Welt, die der Buddhismus dem ewigen Paradies gegenüberstellt.

Der Begriff Ukiyo – also ‚fliessende Welt’ – bringt eine Lebenseinstellung zum Ausdruck. Dabei wird die Vergänglichkeit des Lebens betont und somit der Genuss des Augenblicks. Die immer reicher werdenden Kaufleute von Edo wenden sich dieser Lebenseinstellung zu und suchen das Vergnügen. Die Künstler passen sich dieser Entwicklung an. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entsteht der Stil des Ukiyo-e, wobei Ukiyo für fliessende Welt und ‚e’ für Bild steht. Als Motive wählen die Künstler vor allem Szenen aus dem alltäglichen Leben im damaligen Japan. Es handelt sich dabei beispielsweise um die Welt der Vergnügungsviertel, der Kurtisanen und des Theaters. Später sind auch Darstellungen von Schlachten, Pflanzen und Tieren oder Portraits von Sumo-Ringern beliebt. Rasche Verbreitung und Beliebtheit verdankt der Ukiyo-e Stil vor allem dem Holzschnitt.

Ukiyo-e wird damit zu einem Sammelbegriff für ein bestimmtes Genre der japanischen Malerei und Druckgrafik aus der Edo-Zeit. Für den Holzschnitt werden meist geglättete Platten aus dem Holz des Kirschbaumes verwendet. Ein Bestandteil dieses Prozesses wird von Lésoualc’h wie folgt beschrieben:

„Die mit etwas Reisleim vermischte Farbe wird mit einem flachen, reichlich getränkten Pinsel von sieben bis neun Zentimeter Länge in der Richtung der Maserung auf das Holz aufgetragen. […] Das für die Abzüge verwendete Papier ist besonders haltbar, weich und saugfähig.“ (Lésoulac’h 1968, S. 162)

Insgesamt sind zur Herstellung eines fertigen Holzschnittdrucks vier Personen erforderlich: Ein Verleger, ein Künstler, ein Holzschneider und ein Drucker.

Die japanische Malerei und Druckgrafik zeichnet sich nach Lésoualc’h dadurch aus, dass nur das ‚Wesentliche’ gezeigt wird. Ziel ist es nicht, eine Situation realistisch wiederzugeben, sondern den Charakter des Motivs abzubilden. Im Holzschnitt fehlt deshalb sowohl die Darstellung des Lichtes als auch des Schattens. Personen werden mit klaren Linien gezeichnet und Flächen werden farbig gefüllt oder leer gelassen. Somit fehlt auch jegliche Perspektive. Durch den Einfluss des Westens entstehen aber bald Holzschnitte mit Perspektive.

Die japanischen Holzschnitte (Ukiyo-e) zeigen eine faszinierende Alltagswelt. Manche Künstler fertigen sogar Serie-Drucke an. Diese Arbeiten können gemäss Dufwa auch als eine Form des illustrierten Journalismus angesehen werden. In mancher Hinsicht kann ein Vergleich zu heutigen Darstellungen von Komikfiguren gezogen werden. Man denke hier beispielsweise an die modernen Manga-Serien. Bekannte japanische Holzschnittkünstler dieser Zeit sind Hiroshige und Hokusai, deren Lebenslauf ich nun beschreibe. Beide Künstler wirken in der Spätzeit der Edo-Periode, das heisst, im ausgehenden 18. Jahrhundert und vorwiegend in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Die Lebensläufe von Hiroshige und Hokusai

Katsushika Hokusai wird als Sohn eines Spiegelfabrikanten im Jahre 1760 in Edo geboren. Seine ersten Erfahrungen mit Holzschnitten macht er in der Werkstatt seines Lehrers Katsugawa Sunsho – einem der damaligen Meister des Ukiyo-e Stils. Hokusai, so sagt man, führt ein unstetes Leben, wechselt häufig seinen Namen und zeichnet wie ein Besessener. Er prägt den Begriff des Manga, was so viel heisst wie Schnellzeichnungen. Die ersten 15 Bände seiner Manga erscheinen im Jahr 1812 und sind von realistischen Darstellungen geprägt. Seine Motive reichen von Satiren aus dem alltäglichen Leben über Fabelwesen bis hin zu erotischen Szenen. Hokusais bekannteste Werke stammen aus seiner späten Schaffensphase. Dazu zählen die „36 Ansichten des Berges Fuji“ und „Die grosse Welle vor Kanagawa“, welche in den Jahren 1823 bis 1830 entstehen. Hokusai setzt sich sein ganzes Leben lang mit verschiedenen Stilrichtungen auseinander und kennt auch perspektivische Darstellungen. Seine Werke wirken jedoch stilistisch unabhängig.

„Seine phantastischen Werke sind auch das Interessanteste, was zur damaligen Zeit von Malern geschaffen wurde“. (Lésoulac’h 1968, S. 161)

Utagawa Hiroshige wird im Jahr 1797 ebenfalls in Edo als Sohn eines Samurai geboren. Über sein Leben und seine Jugendwerke ist nur wenig bekannt. Es ist gewiss, dass er im Alter von 14 Jahren Schüler des Toyohiro wird. Aber er fällt mit seinen Werken nicht auf. Erst im Jahr 1830 wird er schlagartig bekannt als er in offizieller Mission von Edo in die Kaiserstadt Kioto gesandt wird und anschliessend die Holzschnittserie „die 53 Stationen des Tokaido“ erschafft. Tokaido bezeichnet die damals wichtigste Überlandstrasse Japans, welche Edo und Kioto verbindet.

Diese Serie ist Hiroshiges berühmtestes Werk geblieben, obwohl er weitere Holzschnittserien angefertigt hat, zum Beispiel Ansichten vom Biwa-See und von der Stadt Edo. Seither gilt er nicht nur als Meister des Holzschnittes (Ukiyo-e), sondern auch als ein Meister der Naturschilderung, insbesondere von Schnee und Regen. Häufig verwendet Hiroshige dabei das Hochformat. Er stirbt 1858 im Alter von 61 Jahren. Über 4000 Zeichnungen werden Hiroshige zugeschrieben. Er beeinflusst mit seinen Werken viele westliche Künstler und gilt bis heute als auserwählter Interpret der japanischen Natur, vor allem dank seinen realitätsgetreuen Darstellungen.

Hier geht es zum zweiten Teil über die Rezeption der japanischen Malerei und Druckgrafik im Westen.

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Bildquellen:
Abb. 1: Hiroshige, Besucher des Tori-no-machi-Marktes von Asakusa Tambo, Nr. 101 , Teil 4: Winter. Wikimedia, Brooklyn Museum.
Abb. 2: Hiroshige, Minowa, Kanasugi und Mikawashima, Nr. 102 , Teil 4: Winter. Wikimedia, Brooklyn Museum.
Abb. 3: Hiroshige, „Mond-Kiefer“ von Ueno, Nr. 089 , Teil 3: Herbst. Wikimedia, Brooklyn Museum.
Abb. 4: Hiroshige, Akabane und die Pagode vom Zōjō-ji, Nr. 053 , Teil 2: Sommer. Wikimedia, Brooklyn Museum.
Abb. 5: Hokusai, Selbstbildnis, Holzschnitt. In: Lésoualc’h 1968, S. 161.
Abb. 6: Hokusai, Klare Morgendämmerung bei Südwind, aus 36 Ansichten des Berges Fuji, Nr. 33, Wikimedia.
Abb. 7: Hokusai, Die grosse Welle vor Kanagawa aus den „36 Ansichten des Fuji“, 1830-32, Farbholzschnitt, 25.7cm x 37.9cm. In: Lambourne 2005, S. 59.
Abb. 8: Hiroshige, 13. Station, Hara aus den „53 Stationen des Tokaido“, Wikimedia.
Abb. 9: Hiroshige, Masaki- und Suijin-Wäldchen am Sumidagawa [1856-08], Nr. 035, Frühling, Wikimedia, Brooklyn Museum.
Abb. 10: Hiroshige, Auf dem Gelände des Kameido-Tenjin-Schreins, Nr. 065, Sommer, Wikimedia, Brooklyn Museum.
Abb. 11: Hiroshige, Ushimachi in Takanawa, Nr. 081, Herbst, Wikimedia, Brooklyn Museum.
Abb. 12: Hiroshige, Trommelbrücke und Yuhigaoka von Meguro, Nr. 111, Winter, Wikimedia, Brooklyn Museum.

 

Literatur

  • Dufwa, Jaques: Winds from the East: a study in the art of Manet, Degas, Monet and Whistler, 1856-86, Stockholm: Almqvist & Wiksell International (Acta Universitatis Stockholmiensis, Bd. 34), 1981.
  • Lambourne, Lionel: Japonisme. Cultural Crossings between Japan and the West, London, 2005.
  • Lésoualc’h, Théo: Die japanische Malerei, Lausanne, 1968.
  • Sullivan, Michael: The meeting of eastern and western art, Berkeley, 1997.