Timur – grösster Menschenschlächter aller Zeiten und grausamer Eroberer oder bedeutender Kunstmäzen oder gar alles in Einem? Im Blogbeitrag gehe ich diesen Fragen nach und möchte Tamerlans komplexe Persönlichkeit aufzeigen.

Timur erhält von Sultan Nasr al-Din eine Giraffe

Timur ibn Taraghai Barlas (*April 1336 in Kesch, Usbekistan), auch Timur Lenk oder Timur der Lahme genannt, ist ein berühmt-berüchtigter, zentralasiatischer Kriegsherr und Eroberer im 14. Jahrhundert. Er ist Gründer der Dynastie der Timuriden, welche vom mongolischen Nomadenstamm der Barlas abstammen und ihr Herrschaftsgebiet in Kesch, Zentralasien, haben.

 

Timur – Kunstförderer versus Tyrann

Berühmt und berüchtigt ist Timur Tamerlans Herrschaft, denn sie ist gezeichnet von Brutalität und Tyrannei. Gleichzeitig ist Timur als grosszügiger Kunst- und Literaturförderer bekannt. Samarkand, die Hauptstadt seines Reiches, wird durch ihn zur Metropole der Künste und Wissenschaften. 1370 erlangt er die Herrschaft über Transoxanien und in der Folge führt Timur mehrere erfolgreiche Eroberungen durch, welche von Syrien nach Iran über Anatolien bis nach Indien führen. Im Jahr 1388 nimmt er den Sultantitel an.

Timurs politisches Ziel ist dabei die Wiederherstellung des Mongolischen Reiches sowie die Neuordnung dieses nach dem Vorbild seines Vorgängers Dschingis-Khan. Timur stirbt am 18. Februar 1405 in Kasachstan, bevor der grosse Feldzug, der ihn bis nach China führen sollte, überhaupt beginnen konnte. Die Bestattung findet im Gur-Emir-Mausoleum in Samarkand (Usbekistan) statt, welches von einem Enkel von Timur erbaut wurde. Timur hinterlässt eines der grössten und kurzlebigsten Reiche von Mittelasien. Nach seinem Tod herrschen seine Nachkommen, die so genannten Timuriden, noch etwa hundert Jahre in Iran und Mittelasien.

Timur der Eroberer wird in erster Linie als ein Militärführer und grausamer Zerstörer wahrgenommen, er hat jedoch kulturelle Interessen und geistige Bildung. Obwohl er weder lesen noch schreiben kann, beherrscht er die osttürkische und persische Sprache und pflegt den Umgang mit Vertretern des geistigen Lebens sowie mit den berühmtesten Gelehrten seiner Zeit.

Timur hält ein grosses Fest mit Amir Husayn

 

Der arabische Historiker Ibn Khaldun beschreibt Timurs komplexe Persönlichkeit folgendermassen:

„This king Timur is one of the greatest and mightiest of kings. Some attribute to him knowledge, others attribute to him heresy […], still others attribute to him the employment of magic and sorcery, but in all this there is nothing; it is simply that he is highly intelligent and perspicacious, addicted to debate and argumentation about what he knows and also about what he does not know.” (Lentz/Lowry 1989, S. 17)

Unter Timur erlebt nicht nur die Malerei, sondern auch die Baukunst, Dichtung und die Wissenschaft eine Hochblüte. Timur will seinen Ruhm mit bemerkenswerten Bau- und Kunstwerken verewigen. Viele seiner Werke dienen ihm als Propaganda. Die historischen Bilder stellten nicht nur das Ereignis dar, sondern sind gleichzeitig Repräsentationsgegenstand und Denkmal. Sie sollen die Macht und den Ehrgeiz des Herrschers signalisieren.

Diese Einstellung bestätigt der spanische Gesandte Ruy Gonzalez de Clavijo in seinem Reisebericht im Jahre 1404:

” […] Thus trade has always been fostered by Timur with the view of making his capital the noblest of cities: and during all his conquests wheresoever he came he carried off the best men of the population to people Samarqand, bringing […] together the master craftsmen of all nations. Thus, from Damascus he carried away with him all the weavers of that city, those who worked at the silk looms. Further the bow-makers who produce those cross-bows which are so famous […] also the craftsmen in glass and porcelain, who are known to be the best in all the world.” (Guy Le Strange 1928, S. 287f.)

Ibrahim Sultans Manuskript «Zafarnama»

Das Manuskript Zafarnama enthält Miniaturabbildungen mit Texten und Kalligraphie zur Geschichte Timurs. In Auftrag gegeben wurde das Werk von Timurs Enkel – Ibrahim Sultan ibn Shahrukh ibn Timur. Ursprünglich bestand das Manuskript aus 355 Textfolios mit 37 Illustrationen und wurde im Jahr 1436 fertiggestellt. Heute existieren nur noch einzelne Kopien von den ursprünglichen Illustrationen.

Die Illustrationen über Timur werden durch Texte ergänzt, was die Aussagen im Bild verstärken. Sie sprechen den Betrachter mit Text und Bild an, erinnern an die heldenhaften Taten Timurs und stellen somit einen Dialog her zwischen Bild und Betrachter. Die politischen Aussagen werden mit Hilfe der Texte noch verstärkt.

Dank dieser Kunst gelingt es Timur monarchische Ansprüche, religiöse Verbindlichkeiten sowie seine persönlichen Ruhmestaten zum Ausdruck zu bringen. Gleichzeitig versucht der Herrscher über die Kunstwerke eine kulturelle und soziale Legitimation seiner Macht zu erlangen.

Exkurs: Historien- vs. Herrscherbilder

Historische Bilder zeigen ein reales Ereignis; ein Ereignis also mit historischem Kontext. Ein Herrscherbild dagegen kann sowohl ein reales als auch ein fiktives Ereignis darstellen. Ein Herrscher benutzt ein solches Bild als Mittel zur Repräsentation und zur Glorifizierung seiner Taten. Er setzt durch diese Darstellungen eine Art Denkmal. Um seine Heldentaten noch stärker hervorzuheben, kann der Herrscher die Bilder durch Texte ergänzen lassen oder Historiker und Gelehrte beauftragen Texte über ihn zu schreiben. Genau dies ist bei Timur der Fall – er nutzt die Kunst als Selbstdarstellung, Propaganda und Repräsentation seiner Taten.

Timur und seine Armee in der Schlacht bei Ankara

Bilderquelle: Sims, Elanor 1992 und Wikipedia (Büste Timur)

 

Literatur

  • De Clavijo, Ruy Gonzales: Embassy to Tamerlane: 1403-1406, translated from the Spanish by Guy LeStrange, London 1928.
  • Lentz, Thomas W./Lowry, Glenn D.: Timur and the Princely Vision. Persian Art and Culture in the Fifteenth Century, Washington D.C. 1989.
  • Nagel, Tilman: Timur der Eroberer und die islamische Welt des späten Mittelalters, München 1993.
  • Sims, Elanor: Ibrahim Sultan’s illustrated Zafarnama of 1436 and its impact in the Muslim East. In: Golombek, Lisa/Subtelny, Maria (Hg.): Timurid Art and Culture: Iran and Central Asia in the Fifteenth Century, Leiden 1992, S. 132- 143.