Wir alle haben bereits Darstellungen von Jesus Christus gesehen und uns vielleicht dabei gefragt warum er einmal mit Buch, einmal auf einer Weltkugel, einmal als Hirte abgebildet wird. All diese Darstellungen haben eine spezifische Bedeutung und stehen oft im Kontext mit den umliegenden Szenen. Aber sowohl seine Darstellungsart, die Bildfunktion als auch die Bildmittel haben sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert bis man schliesslich zum heute vertrauen Abbild gekommen ist. Im heutigen Beitrag stelle ich dir „Christus mit Buch“ vor, welcher in der Ikonografie Christus Pantokrator genannt wird. Dieser Bildtypus hat vor allem im Mittelalter die sakrale Kunstwelt mitgeprägt.

Christus Pantokrator

Pantokrator ist Griechisch und bedeutet übersetzt Herrscher des Alls, auch Weltenherrscher. Ein Gottestitel, abgeleitet aus dem Alten Testament und von den Kirchenvätern auf Christus übertragen. Und zwar aus einem einfachen Grund: Gott durfte in frühchristlicher Zeit nicht abgebildet werden, weshalb der Begriff in die Abbildungen seines menschgewordenen Sohnes Christus überging.

Zumeist sieht man Abbildungen des sogenannten Christus Pantokrator in der byzantinischen und der ostkirchlichen Kunst. Die Christusikone wird dabei frontal dargestellt in mittlerem Alter und ist meist halbfigurig (als Brustbild) und mit goldenem Kreuznimbus (Heiligenschein) zu sehen. Es existieren aber auch Ganzkörperdarstellungen, wobei Christus stehend oder thronend abgebildet wird. Er schaut den Betrachter direkt an und seine rechte Hand ist dabei entweder segnend erhoben oder er weist auf das Buch, welches er in der linken Hand hält. Das Evangelienbuch – meist kostbar verziert – kann dabei offen oder geschlossen sein und Selbstaussagen enthalten. Übliche Beischriften sind die Monogramme IC, XC oder A, welche für Christus selbst stehen (eine Abbreviatur des Namens Christi).

Die Darstellung eines Christus Pantokrator befindet sich oftmals in oder in der Nähe der Apsis. Der Typus betont dessen Segensmacht, seine Weltherrschaft und seine Lehrautorität. Seit dem 6. Jahrhundert sind solche Ikonendarstellungen von Christus bekannt, so beispielsweise als Mosaiken aus Ravenna (Sant’Apollinare in Classe, siehe dir meinen Beitrag an), Sizilien (Kathedrale von Cefalù) oder Moskau (Tretjakow-Galerie in Moskau). Die älteste noch erhaltene Ikone dieses Typus (vermutlich aus dem 8. Jahrhundert stammend) befindet sich im Katharinenkloster auf dem Sinai und gehört zum UNESCO-Welterbe. Verwandte Darstellungen sind beispielsweise der Bildtyp der Maiestas Domini, in der Christus auf einer Weltkugel thront, oder Christus als guter Hirte (Ravenna).

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Exkurs: Ikonenverehrung und byzantinischer Bilderstreit

Was als fromme Verehrung von Ikonen angefangen hat, verändert sich bald in starken Aberglauben (z.B. Ikonenbilder können Krankheiten heilen) und mischt sich mit Mystizismus. Im 8. Jahrhundert findet diese Art der Bilderverehrung immer mehr Gegner, welche sich für ein Abbildungsverbot einsetzen. So entsteht eine immer grösser werdende Kluft zwischen den Ikonodulen, welche sich für die Ikonenmalerei einsetzen und den Ikonoklasten. Im Jahr 726 kommt es zum Byzantinischen Bilderstreit (Ikonoklasmus), welcher erst rund 120 Jahre später unter Kaiserin Theodora endgültig beigelegt wird.

Die Bildgegner stützen sich hierbei auf das alttestamentarische Abbildungsverbot, das besagt, dass die Darstellung von Heiligen gotteslästerlich ist. Die Bildbefürworter argumentieren hingegen, dass zwischen dem Urbild und dem Abbild des Heiligen keine Identität besteht, sondern nur ein Ähnlichkeitsverhältnis. Bei der Ikonenverehrung wird somit nicht die Materie des Bildes angebetet, sondern das ihm zugrunde liegende Urbild.

Siehe dir auch meine Beiträge zu christlichen Holzschnitzereien in Ägypten an.

Bilderquelle: Wenn nicht anders vermerkt, eigene Aufnahmen: Siena und Ravenna

 

Literatur

  • Büchsel, Martin: Die Entstehung des Christusporträts. Bildarchäologie statt Bildhypnose, Mainz am Rhein 2003.
  • Jäggi, Carola: Ravenna. Kunst und Kultur einer spätantiken Residenzstadt. Die Bauten und Mosaiken des 5. und 6. Jahrhunderts, Regensburg 2013.
  • Onasch, Konrad / Schnieper Annemarie: Ikonen. Faszination und Wirklichkeit, Freiburg, Breisgau 1995.
  • Riese, Brigitte: Seemanns Lexikon der Ikonographie. Religiöse und profane Bildmotive, Leipzig 2007.
  • Thümmel, Hans Georg: Bilderlehre und Bilderstreit. Arbeiten zur Auseinandersetzung über die Ikone und ihre Begründung vornehmlich im 8. und 9. Jahrhundert, Würzburg 1991.