Frauen haben über alle Jahrhunderte hinweg mit ihren Erfindungen die Welt verändert oder als Malerinnen Karriere gemacht. Bis ins 19. Jahrhundert war es jedoch den Frauen in Europa verboten eine künstlerische Ausbildung zu machen. Meist standen Frauen Modell oder waren Musen bekannter Maler – ich denke hier an Simonetta Vespucci, welche die Muse von Sandro Botticelli war und für zahlreiche Bilder von ihm Modell stand beispielsweise für die Geburt der Venus. Zudem war es den Frauen verboten eine Kunstakademie zu besuchen – in Deutschland bis 1919/1920.

Ich möchte heute auf mutige Frauen eingehen. Frauen, die den Weg für die Moderne geebnet haben. Sie haben Erfindungen gemacht, die wir noch heute verwenden. Sie haben Firmen gegründet und geleitet und sie haben ihren männlichen Künstlerkollegen gezeigt, dass sie mindestens ebenbürtig sind und ihre Stimme wichtig ist – sowohl in der Kunst als auch in der Gesellschaft.

Ich stelle dir unter anderem Melitta Bentz vor, die mit ihrer Erfindung den Kaffeekonsum weltweit verändert hat. Angelika Kauffmann hat sich als Historienmalerin in England und in Italien einen Namen gemacht und war eine der ersten Frauen, die in einer Kunstakademie aufgenommen wurde. Niki de Saint Phalle wurde in die Gruppe der Nouveau Réalisme aufgenommen, nachdem sie ihre Bilder beschossen hat. Und Valie Export hat auf extrem drastische Weise die Frauen- und Männer-Rollen in ihren Performances dargestellt.

Trotz aller Schwierigkeiten und trotz Verbot einer Ausbildung liessen es sich die Frauen natürlich nicht nehmen dennoch als Künstlerinnen oder als Erfinderinnen tätig zu sein. Das passierte nicht selten unter dem Deckmantel ihrer Ehemänner. Im Mittelalter entstehen viele Kunstwerke in Klöstern, z.B. illustrierte Handschriften. Die Künstlerinnen bleiben dabei oft anonym und die Werke entstehen im Dienste der Religion. Es geht noch eine ganze Weile bis zum Umbruch. Erst im Zeitalter der Renaissance ändert sich das Selbstverständnis des Künstlertums und die Frauen erscheinen vermehrt im Rampenlicht.

Viele von ihnen werden von ihren männlichen Künstler-Kollegen oder eben von ihren Ehemännern gefördert. Ich denke hier beispielsweise an Sofonisba Anguissola, die sich auf die Porträtmalerei spezialisierte und sogar Porträts der spanischen Königsfamilie anfertigen durfte. Fast zeitgleich arbeitet Marietta Robusti als Porträtmalerin an europäischen Fürstenhäusern. Einige wenige Frauen, die in dieser Zeit tätig sind, signieren ihre Werke. Es passiert jedoch oft, dass die Bilder von ihren männlichen Kollegen signiert werden, weshalb die Künstlerinnen dann in der Literatur nicht erwähnt werden. Hinzu kommt, dass die Geschichte über die Kunst grösstenteils von Männern geschrieben wurde, weshalb auch zu ihrer Zeit bekannte Künstlerinnen lange nicht im Kunstkanon vorkommen.

Melitta Bentz: Die Erfindung des Kaffeefilters

Ich möchte dir die Erfindung einer Frau vorstellen, welche die (Kultur-)Geschichte des Kaffeekonsums geprägt und verändert hat. Die Frau heisst Melitta Bentz (1873-1950) und ihre Erfindung ist der Kaffeefilter. Bereits um 1900 war Kaffee kein Luxusgut mehr, sondern gehörte zum Alltag. Jedoch konnte man nicht wie heute bequem auf einen Knopf drücken und der gewünschte Kaffee kam aus der Maschine.

Das Pulver wurde direkt in einen Topf mit Wasser gegeben und vor dem Servieren durch ein Metall-Sieb oder ein Tuch gegossen. Zu grosse Löcher sorgten dafür, dass der Kaffeesatz in die Tasse floss, zu kleine Löcher verstopften das Sieb. Wo liegt somit die goldene Mitte? Melitta Benz wollte diesen Zustand nicht akzeptieren und startete in Eigenregie ihre ersten Experimente mit dem Löschpapier aus dem Schulheft ihres Sohnes und einem Messingbecher. Das Ergebnis überraschte: Der Kaffee schmeckte nicht mehr so bitter.

Daraufhin wagt Melitta Bentz einen ungewöhnlichen Schritt für diese Zeit: Sie gründet ein Unternehmen und lässt ihre Erfindung 1908 patentieren. Firmensitz ist ihre Wohnung, ihr Mann und ihre zwei Söhne sind ihre Mitarbeiter. Hier beginnt ihre Erfolgsgeschichte. 1910 gewinnt sie eine Auszeichnung. Nach dem ersten Weltkrieg wächst ihr Unternehmen rasant. 1920 kauft sie zusätzliche Gebäude. In den 1930er Jahren arbeiten 80 Arbeiter in Doppelschichten, um der grossen Nachfrage nachzukommen. Heute ist die Melitta Bentz KG ein internationales Unternehmen mit über 4000 Mitarbeitern. Eine unglaubliche Geschichte, oder? Hast du den Kaffeefilter auch schon mal benutzt?

Höre dazu auch in meine Podcast-Folge #6 rein: Frauenpower: Mutige Frauen in Kunst und Kultur.

Valie Export: Feministin und Revolutionärin

Nun wenden wir uns einer richtigen feministischen Künstlerin zu. Ihre Performances würde ich als sehr mutig bezeichnen. Valie Export (*1940) ist eine Feministin und eine Revolutionärin par excellence! Geboren in Linz, Österreich, hat sie sich schon früh durch ihre bahnbrechenden Performances hervorgetan. Von Beginn ihrer Karriere an ist Valie Exports Arbeit ein mutiger Kommentar zur weiblichen Identität, zum (weiblichen) Körper und zu den gesellschaftlichen Erwartungen. Sie stellt die Rolle der Frauen in der Kunst und in der Gesellschaft ständig in Frage. Ihre Performances, oft mitten in der Öffentlichkeit, sind direkte Herausforderungen an konventionelle Normen und die oft unterdrückende Natur der Gesellschaft.

Zu ihren berühmtesten Auftritten gehören beispielsweise das „Tapp und Tastkino“ aus den späten 1960ern – eine Performance bei der sie eine kleine „Kino“-Box vor ihrem nackten Oberkörper trug und Passanten einlud, ihre Brüste durch Öffnungen in der Box zu berühren. Sie läuft also auf der Strasse und fordert die Männer auf in die Box zu fassen. Johlend, aber auch peinlich berührt, grapschen sie fröhlich zu. Dies war eine krasse Kritik an der Objektivierung des weiblichen Körpers. Aber sie hat noch mehr provokante Vorstellungen geliefert.

Unglaublich provokant ist ihre Performance „Aktionshose: Genitalpanik“. Sie setzte sich breitbeinig vor ein Publikum und die Hose, die sie trägt, hat über ihrer Scham ein riesiges Loch. Das Schamhaar quillt heraus. Valie Export hält ein Maschinengewehr im Arm und schaut herausfordernd ins Publikum. SKANDAL!  Die Performance wird abgebrochen.

Mit ihrem damaligen Mann ging sie zudem an der Hundeleine durch die Wiener Innenstadt Gassi: „Aus der Mappe der Hundigkeit„. Peter Weibel spaziert also auf allen vieren mit Mantel und Hut an einer Leine durch die Stadt. Man kann sich die erstaunten Spaziergänger nur vorstellen… Valie Export hat die Grenzen, was Kunst sein kann, definitiv erweitert. Ihr Engagement für den Feminismus und ihre unerschrockene Herangehensweise an gesellschaftliche Tabus haben sie zu einer Ikone gemacht.

Sylvie Fleury: Kritischer Blick auf Kunst und Gesellschaft

Die Künstlerin Sylvie Fleury (*1961) sorgt bereits in den 90-er Jahren mit ihrer Kunst für Aufmerksamkeit, indem sie Lifestyle und Mode mit Kunst verbindet. Kunst und Kommerz zu kombinieren war damals unüblich. Heute ist die Liaison zwischen Kunst und Lifestyle bzw. Werbung nicht mehr anrüchig, vielmehr begegnen wir ihr alltäglich – ich denke hier an die Engel von Raffael, die auf allen möglichen Tassen etc. zu finden sind.

Sylvie Fleury geht noch weiter und dekonstruiert unter anderem auch unsere Geschlechterrollenklischees. Ihre Werke sind vielfältig – sie setzt sich mit Installation, Performance, Malerei und Skulptur auseinander und nimmt dabei Bezug auf den Minimalismus und die Pop-Art. Stets hat sie einen kritischen Blick auf die Gesellschaft und auf unseren Konsum. Sie lebt heute in Genf.

Mit ihren zwei Werken an der ETH Zürich nimmt die Genfer Künstlerin Bezug auf die exakte Wissenschaft. Sie konfrontiert die Forschung mit Objekten aus dem Bereich der Parawissenschaften – jene Wissenschaft, die oft als alternativ bezeichnet wird und selbst keinen Anspruch erhebt, wissenschaftlich zu sein. Im Aussenbereich des CAB Gebäudes sehen wir zwei Armbänder, die Gesundheit versprechen. Im Innenbereich können wir zwei Pendel betrachten, die traditionell zur Messung von Energieströmen verwendet werden. Die beiden Werke sind jedoch so stark vergrössert, dass sie ihre eigentliche Funktion verlieren und stattdessen zu Rauminstallationen werden.

Weitere Werke an der ETH Zürich gibt es im Blogbeitrag Ein Kunstrundgang an der ETH Zürich zu entdecken.

Angelika Kauffmann: Frauen als Heldinnen – stark und sanft

Zeitlebens muss sich Angelika Kauffmann (1741-1807) in einem von Männern dominierten Berufsfeld behaupten und tut dies mit grossem Erfolg. Fernab von ihrem Geburtsort Chur, reist die noch unbekannte Künstlerin 1766 nach London. Nach einem etwas knorzigem Start, lernt sie schon bald erfolgreiche Künstler und Förderer kennen und wird in die feine Gesellschaft von London eingeführt. Der einflussreiche Portrait- und Historienmaler Joshua Reynolds unterstützt sie kontinuierlich und als er die Royal Academy of London gründet, wird sie neben Mary Moser zum einzigen weiblichen Gründungsmitglied ernannt. Man kann sich vorstellen, dass dies in einigen Kreisen zu Widerstand führt und nicht selten über eine Liebschaft zwischen den beiden gemunkelt wird.

Unermüdlich kämpft Angelika Kauffmann gegen ihre Spotter an und so kann selbst der von Nathaniel Hone provozierte Skandal um ein Bild ihrem Erfolg keinen Abbruch tun – im Gegenteil! Ihre Werke werden noch populärer und selbst Königin Charlotte lässt sich von Angelika abbilden. Hone, der auch in der Royal Academy Mitglied war, fügt sie in seinem Bild «The Conjurer» als nackte Karikatur-Darstellung ein. Viele Zeitungen berichteten darüber. Angelika wehrt sich erfolgreich dagegen. Hone muss die Karikatur übermalen.

Sie macht nun Karriere, verdient ihr eigenes Geld und malt Frauen als Heldinnen. Mutig wagt sie sich an grosse Historienbilder – die nobelste aller Gattungen und bisher männlichen Malern vorgesehen. Ihr weiblicher Blick auf die Kunst ist gefragt und ihre Motive werden massenhaft reproduziert. London wird «angelicamad». Der ganze Adel möchte sich von ihr abbilden lassen und sogar auf Tassen, Tischtüchern etc. sieht man ihre Motive. Sie malt die Frauen sanft und stark zugleich. Die Frauen wiederum fühlen sich angesprochen. Angelika wird quasi ihr Sprachrohr.

1781 reist sie mit ihrem Ehemann, dem venezianischen Maler Antonio Zucchi, und ihrem Vater zuerst nach Venedig und lässt sich dann in Rom nieder. Ihr Haus in Rom wird zu einem bekannten Künstler- und Literatentreffpunkt. Sie malt zahlreiche weitere Portraits. Sogar eine Zusammenarbeit mit Goethe entsteht. Als ihr Mann 1795 stirbt, zieht sie sich immer mehr zurück. Sie stirbt im Jahr 1807 und wird in Rom bestattet. Im Pantheon in Rom wird sogar eine Büste von ihr aufgestellt.

Margrit Linck: Pionierin der Keramik

Als erste Frau in der Schweiz eröffnete Margrit Linck (1897-1983) im Jahr 1935 eine kommerzielle Töpferei in der Nähe von Bern. Das Modellieren und die Arbeit an der Drehscheibe waren bisher den Männern vorbehalten. Frauen waren für Dekor und Bemalungen zuständig. Eine Frau, die ein Unternehmen führt? Beinahe undenkbar zu dieser Zeit. Zum Glück war Margrit Linck nicht die Einzige, die solche mutigen Schritte wagte. Frauen wie Helene Haussmann oder Elisabeth Eberhardt trugen ebenfalls zur Belebung des Handwerks bei.

Gebrauchskeramik und freie Kunst bzw. eine funktionsbefreite Auseinandersetzung mit Ton waren gleichermassen Bestandteil von Margrit Lincks Œuvre. Für kommerzielle Zwecke produzierte sie Serien. Mich persönlich haben vor allem die Gefässe von ihr beeindruckt, bei denen die Grenzen der beiden Bereiche verschwimmen. Kann ich das noch als Vase verwenden, ist das Kunst oder beides?

„Die Freude am Machen gibt mir […] die Energie. Ich frage mich heute nicht mehr, ob ich das, was ich vorhabe, auch wirklich ausführen könne. Wenn ein Stück nicht gelungen ist, dann zerschlage ich es einfach.“ (Margrit Linck, Zitat aus dem Ausstellungsflyer, Museum für Gestaltung Zürich)

Margrit Linck experimentiert ihr Leben lang mit Formen, Ausdruck und Technik. Dadurch gibt sie ihrem Handwerk neue Impulse und wird selbst zu einer Pionierin der Keramik. Zu Beginn orientiert sie sich vermehrt an ursprünglichen Formen. Oft sehen wir Tier- oder Blumenmotive. Bald wird die Bemalung flächiger und ihr Umgang mit dem Material freier. In den 50-er Jahren lässt sie sich unter anderem von Joan Miró inspirieren. In ihren Werken finden sich kräftige Pinselstrichte, aber auch Vasen mit Schlitzen. So befreit sie die Gebrauchskeramik von ihrem ursprünglichen Zweck.

In ihrer späteren Schaffensphase konzentriert sich Linck vermehrt auf die Form. Ihre Werke werden geometrischer und sachlicher. Zeitgleich reduziert sie die Farben und verwendet nur noch eine Farbe pro Werk. Für mich scheinen ihre Werke zeitlos zu sein. Bis heute zieren ihre Vasen, Schalen und Lampenfüsse viele Wohnungen und Esszimmer. Und bis heute werden ihre Modelle vertrieben – in dritter Generation führt Annet Berger seit 2011 die Manufaktur in Worblaufen bei Bern zusammen mit rund fünf Mitarbeitenden. Kennst du die Signatur von Margrit Linck? Es ist ein Fischsymbol.

Georgia O’Keeffe: Die Natur als Inspiration

Georgia O’Keeffe (1887-1986) äussert schon als Kind den Wunsch Malerin zu werden. Bereits in ihren frühen Werken wird die Inspiration durch die Natur sichtbar. Nach Abschluss der Schule studiert sie Kunst in Chicago und New York, schliesst jedoch aus finanziellen Gründen das Studium nicht ab. Erste Aufmerksamkeit erlangt sie durch die Ausstellung Galerie 291 von Alfred Stieglitz, welche absichtlich provozierende Werke von europäischen Avantgarde-Künstlern wie Rodin, Picasso, Matisse oder Cézanne zeigt.

Nach einigen Jahren Tätigkeit als Kunstlehrerin und einer Schaffens- bzw. Findungskrise, gelingt ihr 1916 der künstlerische Durchbruch an einer Gruppenausstellung organisiert von Alfred Stieglitz. Zwischen Georgia O’Keeffe und Alfred Stieglitz entsteht eine intensive Liebesbeziehung und die beiden heiraten 1924. Gleichzeitig wandelt sich ihr Malstil – von Schwarz-Weiss-Malerei über Aquarellmalerei hin zur Ölmalerei. Und sie wagt sich an Grossformatiges heran. Waren ihre Frühwerke eher abstrakt, wendet sie sich nun Gegenständlicherem zu.

Ab 1933 hält sie sich regelmässig alleine in New Mexico auf und kauft sich ein Farmgrundstück. Sie sammelt in der Wüste Knochen und Steine und macht die dortige Landschaft zum Thema ihrer Werke. Als Stieglitz 1946 stirbt, zieht sie dauerhaft nach New Mexico. Mit 80 Jahren geht sie auf ihre erste Weltreise und findet Inspiration in Wolkenformationen. Dabei entsteht das Bild vom Machu Picchu. Die Künstlerin stirbt im Alter von 98 Jahren in Santa Fe und hinterlässt über 2‘000 Werke, wovon sich über die Hälfte im Georgia O’Keeffe Museum in Santa Fe befinden.

„I have things in my head that are not like what anyone has taught me – shapes and ideas so near to me – so natural to my way of being and thinking … I decided to start anew, to strip away what I had been taught.“ (Georgia O’Keeffe, 1974) .

Einen Einblick in ihr Leben sowie Informationen zum Museum in Santa Fe findest du in meinem Blogbeitrag: Museumstipp #4: Georgia O’Keeffe Museum, Santa Fe.

Niki de Saint Phalle: Schusssicher und farbenfroh

Zu den Nanas – den üppigen, fröhlichen und monumentalen Frauenfiguren – fühlen wir uns irgendwie hingezogen. Und bei einem Städtetrip in Paris kann man am Strawinsky Brunnen (neben dem Centre Pompidou) stundenlang den farbenfrohen und spielerischen Skulpturen von Niki de Saint Phalle zuschauen – zusammen mit den wassersprühenden kinetischen Maschinen von Jean Tinguely. Ein Tarotgarten von ihr befindet sich in der Toskana: 22 skurril geformte und vor allem bunte und verspielte Figuren mit ihren Mosaiken, die alle einem Traum entsprungen zu sein scheinen.

Heute faszinieren uns aber nicht nur ihre Nanas, sondern auch ihre Schiessbilder. Nach einer gewissen Zeit wendet sich Niki de Saint Phalle von der Malerei ab und den Assemblagen zu. Sie bestückt ihre Werke zunächst mit Dingen, die sie im Alltag findet: Scherben, Nägel, Muscheln. Später kauft sie Plastikspielsachen wie Puppen, Soldaten, Waffen und Tiere als Ready-mades für ihre Kunst. 1961 beginnt sie, ihre Bilder mit einem Gewehr zu beschiessen – die sogenannten Tirs, die Schiessbilder entstehen (tir (franz.) = schiessen).

Sie beschiesst zunächst einfache weisse Bilder, die mit Gips die darunter eingebetteten Farbbeuteln verbergen – auch als Performance vor Publikum. Durch den Schuss wird das Bild verletzt, die Farbbeutel platzen auf und die Farbe quillt aus den Löchern und läuft über die weisse reliefartige Gipsstruktur. Durch die Zerstörung des Bildes entsteht ein neues Kunstwerk. Das ist sehr provozierend jedenfalls auch für diese Zeit. In die Kategorie der Tirs gehört auch das Werk Kennedy – Chruschtschow von 1962. Die Künstlergruppe Nouveau Réalisme lädt sie daraufhin ein, Teil der Gruppe zu werden. Hier lernt sie den Schweizer Künstler Jean Tinguely kennen und lieben.

Ihr Name klingt zwar wie ein Künstlerinnenname, ist jedoch der Name ihres adligen französischen Vaters. Die Eltern wandern kurz nach ihrer Geburt 1930 in die USA aus, Niki de Saint Phalle und ihren Bruder lassen sie bei den Grosseltern in Frankreich zurück. Erst nach 3 Jahren kommen die Kinder zu ihren Eltern. Im Alter von 11 Jahren wird Niki de Saint Phalle von ihrem Vater sexuell missbraucht, was sie aber erst in den 1990er Jahren öffentlich macht.

Nach den Schiessbildern wird es fröhlich und farbenfroh. Es folgen die Nanas. Ihre üppigen Skulpturen werden immer grösser und manche sind begehbar. Die farbenfrohen Frauenfiguren verkörpern Lebensfreude und Selbstbewusstsein. Viele stehen im öffentlichen Raum, z.B. in Hannover oder am Zürcher Hauptbahnhof.

Niki de Saint Phalle ist politisch aktiv. Sie setzt sich in den 1980er als Aktivistin für an Aids erkrankte Menschen ein. In den 1990ern zieht sie zurück in die USA. Sie engagiert sich dort für das Recht von Frauen auf Abtreibung, gegen den ausufernden Waffenbesitz und gegen den Klimawandel. Es gibt viele Zeichnungen von ihr, die ihr gesellschaftspolitisches Engagement verdeutlichen; Filme und Bücher komplettieren ihr vielseitiges Schaffen. Im Alter von 71 Jahren stirbt sie 2002 in San Diego.

Hier geht es zum Gastbeitrag von Britta Kadolsky.

Literatur

Buchempfehlung:

  • 77 Malerinnen aus fünf Jahrhunderten, Astrid von Friesen / Gottfried Sello, Ellert & Richter Verlag (unbezahlte Werbung).