Die Welt der Gladiatoren fasziniert mich seit meiner ersten Lateinstunde. So ist die aktuelle Ausstellung Gladiator. Die wahre Geschichte im Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig für mich ein must-see (bis 22. März 2020). Zudem spannend: Es gibt ein ‚Kunst trifft Kulinarik‘ Angebot, das ich gleich buche. Zur ersten Stärkung vor der Führung serviert mir das Museum „Puls“ – ein typisches Gladiatorenessen. Denn bald tauchen wir ein in die Welt der Gladiatoren und sind gespannt auf die wahre Geschichte.

Den Begriff Gladiatorenkämpfe verbinden wir heutzutage unweigerlich mit der römischen Kultur und spätestens mit dem Wort Gladiator steht uns der heldenhafte Russel Crowe vor Augen, der in der Arena blutige Schlachten schlägt und mit exotischen Tieren kämpft. Brauchen wir in der heutigen, bereits von Gewalt geprägten Gesellschaft, eine Ausstellung über die spektakulär inszenierte Gewalt bei Gladiatorenkämpfen? Nein, ganz sicher nicht, denn das Antikenmuseum Basel setzt nicht nur einen anderen Fokus, sondern räumt auch gleich mit unseren Hollywood-Klischees auf. Präsentiert wird eine umfassende Perspektive, welche die zahlreichen Finessen des komplexen, gesellschaftlich-politischen Phänomens der Gladiatoren hervorhebt. Es werden rituelle, ethische sowie soziale und politische Aspekte beleuchtet – angefangen mit dem ursprünglichen Zweck der Kämpfe, nämlich der Ehrung eines verstorbenen Aristokraten.

Die Anfänge der Gladiatorenkämpfe und deren späteren Missbrauch für politische Zwecke

Mein erster Gedanke: Bin ich hier in der richtigen Ausstellung? Keine brutalen Szenen, statt dessen werden die Anfänge der Gladiatorenkämpfe historisch aufgerollt. 264 v. Chr., also relativ spät, findet das erste Gladiatorenspiel in Rom statt, welches Decimus Junius Brutus zu Ehren seines verstorbenen Vaters mit drei Gladiatorenpaaren hält. Man geht davon aus, dass die Römer das Ritual von den Griechen übernommen haben, denn solche Kämpfe, welche mit der rituellen Bedeutung des Blutopfers zusammenhängen, werden bereits in der Ilias von Homer geschildert. Die Römer begeistern sich jedoch sehr schnell für die Spiele und so kommt es bei späteren Bestattungen zu einer steten Zunahme der Kampfpaare. Die adligen römischen Familien versuchen sich mit ihren immer prächtiger werdenden Bestattungsritualen zu übertreffen, wodurch auch Ansehen und Machtansprüche der jeweiligen Familien legitimiert werden sollen.

Bald dient die Verbindung mit dem Bestattungsritual als willkommener Vorwand für ambitionierte Politiker zum richtigen Zeitpunkt mit prächtigen Kämpfen Wähler für ihr Amt zu gewinnen. Diesen Missbrauch von Spielen für politische Zwecke bzw. für Propaganda will Cicero im Jahr 63 v. Chr. mit einem Gesetz unterbinden. Auch Kaiser Augustus und Mark Aurel machen Reglementierungsbestrebungen, indem sie die Anzahl Kampfpaare festlegen. Dennoch führt der anhaltende Wettkampf nach immer pompöseren Spielen manchen lokalen Politiker in den finanziellen Ruin.

Standardisierung der Bewaffnung und der Kampfpaare

Unter Kaiser Augustus wird die Bewaffnung der Gladiatoren standardisiert, was wir im nächsten Raum sehen. Es entstehen feste Kampfpaare, welche im Laufe der Jahrhunderte perfektioniert werden und die man deutlich von Tierhetzen abgrenzt. Tierkämpfe werden ein eigener, in ihrer Beliebtheit nicht zu unterschätzender Teil des Arenaprogramms, denn die exotischen Tiere präsentieren dem zuschauenden Volk die Macht des Reiches. Als Beispiel dient in der Ausstellung eine wunderschöne Marmorstatue eines Tigers.

Doch nicht nur Macht, sondern auch Tugenden gehören zum Alltag eines jeden Römers. Die römische Kultur ist stark von ihren moralischen Werten geprägt. Die römischen Tugenden leisten einen substantiellen Beitrag zur Stabilität, Organisation und Ethik in der Gesellschaft. So erstaunt es nicht, dass wir diese Werte auch in der Arena wiederfinden. Der Kampfgeist (Tapferkeit) und der Mut der Gladiatoren wiederspiegeln die römische Tugend virtus – ein essentielles  Fundament der römischen Macht. Somit sind wir mitten im Leben bzw. im Alltag eines Gladiators angekommen.

Ein Gladiator lebt in einer Gladiatorenschule (Kaserne), die mit strenger Disziplin von einem lanista (Unternehmer) geführt wird. Dieser organisiert die Ausbildung und den Lebensunterhalt der Kämpfer und entscheidet meist auch über das Schicksal der Besiegten. Der Veranstalter der Spiele (editor munerum) wendet sich für die Organisation der Spiele an ihn. (Die Organisation der Spielverwaltung war ein eigenes, komplexes System, auf das ich hier nicht eingehe.) Die Rüstungen der Gladiatoren orientieren sich oft an den von den Römern besiegten Völkern – beispielsweise  die Thraker oder Gallier. Zwei wunderschöne Helme aus Pompeji sind in der Ausstellung zu sehen.

Weg mit den Hollywood-Klischees

Nun wird in der Führung mit drei Hollywood-Klischees aufgeräumt: Der Gladiator ist ein Einzelkämpfer (1). Massenkämpfe sind Erfindungen der Neuzeit. Dank der festgelegten Kampfpaare (der eine meist offensiv, der andere defensiv kämpfend), können Kämpfe auf einem möglichst hohen technischen Niveau geboten und so die Attraktivität für das Publikum gesteigert werden. Eine wichtige Rolle in der Arena hat ferner der summa rudis, der Schiedsrichter, der dafür sorgt, dass alle Regeln im Kampf eingehalten werden.

Ausserdem sind die Gladiatoren nicht alles Sklaven, denn ab Mitte 1. Jh. v. Chr. werden Freiwillige zur Ausbildung zugelassen (2). Diese auctorati, meist aus unteren sozialen Schichten stammend, verzichten in ihrem mehrjährigen Dienst zwar auf ihre römischen Rechte, doch bietet das Gladiatorenleben durchaus Anreize – eine festgelegte Geldsumme pro Kampf, regelmässige Nahrung, medizinische Versorgung sowie potenzieller Ruhm. Erfolgreiche Gladiatoren wurden nicht selten als Graffiti in Wände eingeritzt, was Gebäude unter anderem in Ostia, Rom, Ephesos oder Pompeji zeigen. Einzelne Gladiatoren werden in Graffiti als Frauenhelden beschrieben. Überlebten die Gladiatoren mehrere Spiele, konnten sie sich sogar dank der Kampfprämien freikaufen und erhielten dadurch römische Rechte. Denn man darf nicht vergessen, dass die Gladiatoren zwar in der Arena umjubelte Helden waren, jedoch zur untersten Klasse einer Gesellschaft gehörten, in welcher Klassenunterschiede eine grosse Rolle spielten.

Dass jeder Zweikampf mit dem Tode des Unterlegenen endet, sollte auch in unseren Köpfen korrigiert werden (3). Man muss hierbei die historische Entwicklung der Kämpfe berücksichtigen. Werden in der Frühzeit der Kämpfe meist Kriegsgefangene eingesetzt, deren Tod nur herausgezögert wurde, erhöhen sich die Überlebenschancen der Kämpfer stark in den nachchristlichen Jahrhunderten. Grund dafür ist die technische Spezialisierung, denn die Gladiatoren werden nun zu hochspezialisierten Kämpfern ausgebildet. Dies stellt für den Besitzer eine finanzielle Investition dar (Ausbildung und Unterhalt), weshalb er wenig Interesse an einem schnellen Tod seiner Kämpfer hat. Meist in Übereinstimmung mit dem Publikumswillen entscheidet der Veranstalter über eine mögliche Begnadigung – wenn der Verlierer Tapferkeit und Taktik gezeigt hat, ist die Überlebenschance hoch. Das Zeichen des nach oben oder unten gerichteten Daumens ist übrigens nicht belegt.

Gefundene Skelette von Gladiatoren – dasjenige aus der Ausstellung stammt vermutlich aus der Schweiz – belegen die bereits schriftlich festgehaltene, vorwiegend vegetarische Ernährung durch Getreide und Hülsenfrüchte. Die jeweiligen Knochen aus den Funden von Ephesos und York verweisen alle auf eine robuste Statur, d.h. mehrjähriges hartes Training sowie auf rohe zwischenmenschliche Gewalt.

Das Ende der Spiele

Vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. gehörten die Gladiatorenkämpfe zu den populärsten öffentlichen Unterhaltungsveranstaltungen der Römer – unabhängig von sozialen Schichten. Den Untergang der Spiele vermutet man einerseits in der veränderten Wahrnehmung solcher Veranstaltungen durch eine bereits stark christianisierte Gesellschaft, andererseits durch die prekären wirtschaftlichen Verhältnisse ausgelöst durch die Einfälle der Goten. Die letzten Gladiatorenkämpfe im Kolosseum werden im Jahre 434/435 n. Chr. verzeichnet. Tierhetzen sind hingegen bis ins Jahr 523 n. Chr. belegt.

Hinweisen möchte ich zuletzt noch auf den beeindruckenden Mosaikboden aus Augusta Raurica, welcher in der Ausstellung zu sehen und um 200 n. Chr. entstanden ist. Er zeigt unter anderem sich bekämpfende Gladiatorenpaare in einem repräsentativen Zimmer. Rund 45 Farbwerte konnten die Forscher nachweisen sowie die Materialen Stein, Glas, Marmor und Keramik. In der Ausstellung werden bedeutende Funde aus dem römischen Italien und aus den provinziellen Fundstätten der heutigen Schweiz gezeigt.

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Ruhm und Demütigung, Pracht und Herabsetzung – wie schwierig muss ein Gladiatorenleben gewesen sein, denn selten interessierte sich jemand für den Menschen hinter dem Helm. Dennoch waren sie stolz auf ihren ‚Beruf‘ wie etliche Grabstelen belegen. Nach so viel historischem Input, freue ich mich auf das Kulinarik-Angebot. Sehr amüsant finde ich das Tischset, welches die verschiedenen Kampfpaare der Gladiatoren zeigt – eine gelungene Diskussionsanregung.

Adresse: Antikenmuseum Basel, St. Alban–Graben 5, 4010 Basel

Öffnungszeiten: Di, Mi, Do, Sa, So 11:00 – 17:00 Uhr; Fr 11:00 – 22:00 Uhr (Gratiseintritt ab 17:00 Uhr), Montag geschlossen

Hier geht es zu einem Interview zwischen einem ‚modernen‘ Gladiator in Augusta Raurica und dem Direktor des Antikenmuseums in Basel:

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Siehe dir auch meinen Beitrag zu Pisanello – Fresko in S. Anastasia, Verona an.

Bilderquelle: Antikenmuseum Basel, Copyright: siehe Website

Literatur

Ausstellungskatalog: Gladiator. Die wahre Geschichte. Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, 2019.