Englisch oder Französisch? – das haben wir uns bei unserem Besuch in Montréal oft gefragt. Man grüsst am besten mit ‘Bonjour, hi’. Und genau dieser Sprach-/Kultur-Mix macht den Charme dieser vibrierenden Stadt aus. Viktorianische Häuser neben französischen Bäckereien, mehrsprachige Menschen und umfangreiche Veranstaltungskalender. In der Gastro-Szene trifft Haute Cusine auf kanadische Wildnis. Die Multi-Kulti-Stadt ist ein urbanes Paradies.

Für uns ist die kanadische Stadt Montréal das letzte Reiseziel, bevor es wieder nach Hause geht. Zuvor haben wir zwei Wochen lang unsere ‚Kicks‘ auf der Route 66 geholt (hier geht’s zum Artikel). Die Stadt zeigt sich in dieser Woche von ihrer schönsten Seite – wir haben Sonne und warme Temperaturen. Genauso möchte man Städtetrips erleben. Unsere beiden Freunde, die in Montréal leben, haben sich zudem Zeit genommen, uns vier Tage lang ihre Stadt und deren Umgebung zu zeigen und ihr Insider-Wissen weiterzugeben. Los geht’s!

Tag 1: Vieux Montréal & Dachterrassen-Hopping

Am Vormittag erkunden wir Vieux Montréal (Altstadt). Mit ihrem Kopfsteinpflaster und den kleinen Häusern erinnert uns das Viertel an die Normandie. Doch direkt dahinter kommt mit Downtown die typische amerikanische Grossstadt hervor. Wir parken gleich bei der Bank of Montréal, ein vom Pantheon in Rom inspiriertes Gebäude und früher der Hauptsitz der ältesten Bank Kanadas. Die daran gelegene Rue St-Jacques galt in den 70er Jahren als Wall-Street Kanadas. Heute befindet sich Kanadas Finanzzentrum in Toronto.

Der Place Jacques-Cartier bildet das touristische Zentrum der Altstadt. Von hier flaniert man herab zum Vieux-Port. Am Abend lebt der Platz, ist voller Leute und es finden sich Musiker, Jongleure und sonstige Entertainer ein; doch vormittags ist es noch wunderbar ruhig. Blickt man hoch, sieht man das im viktorianischen Second-Empire-Stil errichtete Rathaus (Hôtel de Ville), dessen Balkon im Jahr 1967 weltberühmt wurde. Charles de Gaulle schrie von hier die Worte «Vive le Québec libre» in die Zuschauermenge und löste damit eine Staatskrise in Kanada aus.

Ein paar Schritte weiter befindet sich der Marché Bonsecours – die alte Markthalle, welche heutzutage Lebensmittel wie Fisch, aber auch Kunst feilbietet. Leider ist sie bei unserem Besuch noch geschlossen. Entlang der Strasse trifft man anschliessend auf die Chapelle Notre-Dame-de-Bon-Secours. Die «Kirche der Seefahrer» ist bescheiden ausgestattet, aber dennoch sehenswert. Das kleine Museum im Keller ist Marguerite de Bourgeoys gewidmet, die im Jahr 1657 an dieser Stelle die erste Kapelle in Montréal errichtete.

So, nun sind wir durstig und wollen einen Kaffee. Was bietet sich besser an als eine der vielen Hotel-Dachterrassen Montréals mit Sicht auf die Altstadt? Wie sich herausstellt ist die Kombination ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Kurz zusammengefasst: Die erste Terrasse serviert aus Prinzip keinen Kaffee, beim zweiten Café ist die Maschine kaputt und beim dritten Versuch klappt es dann, aber wir wollen nicht mehr. So landen wir jedes Mal bei einem Drink (man muss ja die Aussicht geniessen) und sind schon am frühen Nachmittag ziemlich lustig drauf. Gleichzeitig erfinden wir die kulinarische Sportart Dachterrassen-Hopping. Empfehlen kann ich diese drei Dachterrassen: Hotel Nelligan, Hotel Place D’Armes, und Hotel William Gray.

Ein Spaziergang zum Vieux-Port tut uns gut. Eigentlich wollen wir noch die Basilique Notre-Dame anschauen, doch es stehen zu viele Leute an und die Wartezeit an der prallen Sonne ist uns zu lang. In den letzten 100 Jahren wurde der Hafen grosszügig aufgeschüttet, so dass der St. Lorenz-Strom erst am Ende des Parks sichtbar ist. Ein Riesenrad sowie mehrere Snack-Stände laden zum Verweilen ein, doch unsere Freunde fahren uns zum ersten ‘must-eat’ in Montréal – dem ‘Smoked-Meat-Sandwich’ im Restaurant Schwartz’s. Es ist bereits 3Uhr nachmittags, weshalb die Warteschlange relativ kurz ist. Man sollte sich nicht von der einfachen Einrichtung täuschen lassen, denn das Restaurant ist Kult – nicht nur bei den Touristen, sondern auch bei den Einheimischen (mit Bargeld zahlen). Das Restaurant erinnert noch an die Zeit als Jiddisch die dritte Sprache in Montréal war.

Das Quartier Chinois besteht eigentlich genau aus einer Strasse. Wir geniessen die exotischen Düfte, finden aber das Chinatown in Städten wie San Francisco um einiges interessanter. Schon ist es wieder Essenszeit. Die kulinarische Vielfalt in Montréal gefällt uns. Nicht umsonst gehören die hiesigen Restaurants zu den besten des Kontinents. Die Montréaler gehen gerne essen und kleiden sich dazu schick – ‘Dîner au restaurant’ ist wohl ein beliebter Brauch in der Stadt. Wir haben uns etwas Spezielles ausgesucht – ein Jazz-Restaurant. Jeden Abend spielt dort eine Live-Band während man ein köstliches Menü geniessen kann (Reservation nötig). Zur Abrundung des Tages flanieren wir nochmals am Vieux-Port entlang, geniessen die Lichtspiele im Wasser sowie eine Prosecco-Sangria in der Bar vor Ort. So fühlt sich das ‘joie de vivre’ an, für das die Gesellschaft in Montréal bekannt ist.

Tag 2: Ausflug zum Mont-Tremblant

Mont-Royal (in Montréal) und Mont-Tremblant (Umgebung) sind die beiden Hausberge von Montréal. Letzterer verkörpert quasi das St. Moritz oder Davos der Schweiz. Hier treffen Gegensätze aufeinander: In den schicken Hotels heisst es ‘sehen und gesehen werden’ und gleich nebenan treffen robuste Wanderer, verschwitzte Mountainbiker und athletische Paraglider aufeinander. Zwar können die Berge keine spektakulären Naturschauspiele bieten, doch es gibt durchaus schöne Wanderwege und Seen, die zum Picknicken einladen. Nach einer rund zweistündigen Fahrt kommen wir an der Bergstation des Mont-Tremblant an. Es ist der höchste Berg der Laurentides (968m) – eine ganzjährige Freizeitregion; im Winter ein beliebtes Ski-Gebiet. Leider haben wir bei unserer Halbtages-Wanderung etwas Pech, da wir aufgrund mangelnder Beschriftung vom Weg abkommen und die Spitze des Berges nie erreichen, dafür von hunderten von Mücken gefeiert werden (Mückenspray liegt hoch im Kurs!). Danach verpassen wir die letzte Fahrt des Bähnchens (bis 17Uhr). Wir flanieren dafür im Dorf herum, geniessen die Klänge des Blues-Festivals und entdecken das zweite ‘must-eat’, die Beaver Tails (Queues de Castor) – frittierter Teig mit Nutella-Aufstrich als Basis und darauf, na ja, man hat die Qual der Wahl…Meine Kollegin entdeckt dann noch einen Popcorn-Laden (Beurre Salé, Ketchup, Spicy Cheese) und der Abend ist gerettet.

Tag 3: Centre-Ville (Downtown) und Crescent Street

Wo ist denn eigentlich Downtown? Hinter der Altstadt bei den Stahlgiganten? Downtown von Montréal verteilt sich auf mehreren Strassen über mehrere Häuserblöcke. Wir laufen die Gegend rund um die Rue Ste-Cathérine ab und bestaunen die Wolkenkratzer. Wer sich für Architektur interessiert, sollte einen Abstecher in das Centre Canadien d’Architecture (CCA) machen. Sowohl überirdisch als auch unterirdisch besteht Montréals Downtown aus riesigen Konsumpalästen, Boutiquen und Geschäftszentren. Dazwischen findet man immer wieder mal eine kleine Kirche.

Montréals Souterrain (Ville souterraine) ist nicht weniger bekannt als das oberirdische Geschehen. Denn wenn im Winter Temperaturen von frostigen -30°C herrschen, lassen sich die Einheimischen die Laune nicht verderben. Sie haben hierzu eine Stadt unter der Stadt angelegt und man trifft sich im Winter in den Shops unter der Erde. Das verzweigte Netz der Fussgängerpassagen ist heute gute 32km lang, teilweise mit mehrstöckigen Galerien und riesigen Plätzen. Hauptsächlich mit Restaurants ausgestattet, findet man aber auch Kinos, Konzertsäle, Hotel-Eingänge und Shopping-Läden.

Ein paar Blocks weiter von Downtown treffen wir auf die Rue Crescent. Hier versammeln sich die Nachteulen der Stadt, aber auch die Geniesser (viele gute Restaurants & Bars) und die Galeristen (Galerien & Luxus-Boutiquen). Alles in Allem ein interessanter Mix und ein Quartier mit Charme, welches mich etwas an die Josefstrasse in Zürich erinnert. Es gibt zudem einige alternative Läden. Als Zwischenverpflegung gönnen wir uns ein wunderbares ‘Croissant aux Amandes’ in einer der vielen französischen Bäckereien und danach einen warmen Bagel (‘must-eat’ Nr. 3) im berühmtem St-Viateur Bagel Shop. Viele Souvenir-Shops verkaufen den in Kanada bekannten Ahorn-Sirup und auch wir lassen uns von einem Maple-Cappuccino verführen und den Tag voller Genuss ausklingen.

Tag 4: Mont-Royal, Basilique Notre-Dame und Poutine

Heute machen wir einen Abstecher ins Viertel Westmount, ein eher besseres Quartier. Wunderschöne viktorianische Steinhäuser prägen die Strassen. Das anglophone Westmount ist übrigens das Gegenstück zum frankophonen Outremont, wo sich das Restaurant Schwartz’s (siehe Tag 1) befindet. In der Nähe von Westmount befindet sich auch der Hausberg Mont-Royal mit weitläufiger Aussichtsterrasse und Panoramablick sowie einer grösseren Parkanlage mit Spazierwegen. Zum Greifen nah wirken die Hochhäuser in Downtown. Dahinter wälzt sich der St. Lawrence Strom in Richtung Atlantik.

Am Nordwesthang des Berges befindet sich noch eine Attraktion – das gigantische Oratoire St-Joseph; ein Ort für Wallfahrer, Katholiken und Touristen. Es erinnert uns etwas an die Kirche Montmartre in Paris. In den Jahren zwischen 1924 und 1966 erbaut, ist sie heute Ziel von ca. 2 Mio. Pilgern pro Jahr, die aus aller Welt kommen. Die gewaltige Kuppel ist beachtliche 154m hoch. Etwas befremdlich findet man vielleicht die vielen Krücken im Gotteshaus, die angeblich von allen Geheilten hinterlassenen worden sind.

Wieder in der City finden wir Stärkung im vierten und letzten ‘must-eat’, der Poutine – eine Kalorienbombe bestehend aus Pommes Frites und Cheddar-Käsestücken, die in warmer, brauner Sauce schwimmen. Unsere Freunde nehmen uns dazu in das stadtbekannte Restaurant ‘Poutine-Ville’ mit, welches nach eigener Aussage die besten ihrer Art serviert. Diese Speise ist in Montréal so prominent, dass sie sogar in einigen McDonalds zu finden ist. Bon appétit!

Letztes (und fast schönstes) Highlight unseres Aufenthaltes ist die Basilique Notre-Dame. Der prachtvoll vergoldete Altar mit dem blauen, schwerelos wirkenden Hintergrund prägt sich bei uns ein. Es ist auf unserer Reise die schönste Kirche. Im Jahr 1829 wurde sie im neugotischen Stil errichtet.

Chor und Altarbild: Das zentrale Thema ist die Eucharistie als Opfer. In der Mitte ist die Kreuzigung abgebildet: Wir sehen Christus am Kreuz; zu seinen Seiten stehen die Jungfrau Maria und der heilige Johannes. Kniend unter dem Kreuz erblicken wir Maria Magdalena. Vier Szenen aus dem Alten Testament sind um das Kreuz herum sichtbar, die das Kreuzesopfer ankündigen: 1) Mose verkündet die Gesetze, 2) Melchisedek bietet Brot und Wein an, 3) Der Hohepriester Aaron opfert ein Lamm und 4) Abraham opfert seinen Sohn Isaak.

Die Orgel ist mit 5772 Pfeifen versehen und gilt als eine der grössten der Welt. Da hätte man mehr Zeit einplanen sollen für die Akustik… Es finden regelmässig Konzerte statt. Leider geht aber bereits weiter zum Flughafen. Wir werden die Stadt in guter Erinnerung behalten!

Planst du, deine nächsten Ferien in den USA zu verbringen? Schaue dir meinen Artikel zur Route 66 oder zu Chicago an.

Bilderquelle: Eigene Aufnahmen