Indien – es gibt unzählige Assoziationen mit diesem Land: Neben politischen Figuren wie Gandhi ist das Land touristisch gesehen vor allem für Ayurveda, Tee und exotische Gewürze bekannt.  Mich hat tatsächlich das Ayurveda-Fieber gepackt – eine Sache, die schon länger auf meiner ‚To-do‘-Liste stand und ich ausprobieren wollte. Nun scheint der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein. Doch nur Ayurveda-Anwendungen ohne Land und Leute etwas kennenzulernen? Unmöglich – zumindest für mich. Ich beschliesse deshalb einen kleinen Roadtrip durch Süd-Indien zu machen. Mit einem Guide bin ich knapp eine Woche lang in Indien unterwegs, bevor ich mein Ayurveda-Experiment starte und in ölige Welten abtauche. Über diese Erkundungswoche in Kerala und Umgebung möchte ich heute berichten.

Ankunft in Cochin (Kochi, Indien)

Nach einem endlos langen Flug mit Umstieg in Dubai, komme ich endlich in Cochin (Süd-Indien) an. Überaus beglückt sehe ich gleich den Fahrer mit meinem Namenschild, der mich ins Hotel fährt. Kaum steige ich aus dem gekühlten Auto aus, öffnen sich bei mir sämtliche Poren – welch eine Luftfeuchtigkeit! Ich merke schon jetzt, dass ich für ein solches Klima nicht gemacht bin. Das Hotel ist im Kolonialstil erbaut und wunderbar gemütlich, doch das bemerke ich erst am Abend, denn ich renne auf mein Zimmer, schalte den Ventilator an und falle ins Bett. Nach einem kurzen Powernap bin ich wieder fit, um die Gegend rund um das Fort Cochin zu erkunden.

Der Strand des Forts befindet sich nur 5min vom Hotel entfernt und so spaziere ich bei untergehender Sonne der Strandpromenade entlang (unglaublich kitschig und einfach perfekt). Die riesigen Fischernetze fallen mir als erstes auf, gefolgt von der überaus entspannten Atmosphäre – überall haben die Menschen kleine Stände aufgestellt oder Tücher ausgebreitet und bieten Gewürze, frischen Fisch, Schmuck oder kitschige Kuriositäten wie kleine Plastik Tuk-Tuks feil. Ein wunderbares Sammelsurium, an dem ich mich kaum satt sehen kann. Erst später fällt mir auf, dass mich die Leute genauso neugierig anblicken wie ich ihre Ware. Doch auch ich komme nicht darum herum, die Menschen anzuschauen. Diese Farbenpracht der Gewänder! Die Frauen sind wunderschön geschminkt. Auch bei den Männern sind die Gewandkombinationen sorgfältig ausgewählt. Ich bin fasziniert und schaue den Menschen beim Baden und den Kindern beim Spielen zu. Nach dem Sonnenuntergang gönne ich mir im Hotel einen Drink und esse frischen Fisch – wahrscheinlich vom Stand von nebenan. Herrlich.

Ahoi auf meinem Hausboot (Backwater Tour in Indien)

Es ist alles gut organisiert: Nach dem Frühstück wartet bereits der Fahrer, um mit mir Richtung Süden in die Nähe von Alleppey zum Bootspier zu fahren, wo ich kurz nach Mittag das Hausboot Katherine beziehe. Wir sind nur zu zweit auf einem Boot für vier Touristen und geniessen als erstes ein feines Mittagessen. Die Crew besteht aus vier Personen und ist überaus gut gelaunt. Sie machen Witze untereinander, lachen und sind fröhlich – eine so ganz andere Atmosphäre in Indien als wenn man in der Schweiz eine Bootsfahrt unternimmt. Diese Laune ist ansteckend und wir scherzen und lachen mit ihnen um die Wette. Bei den meisten Mahlzeiten, die wir serviert bekommen, erkennen wir zwar oftmals nicht, was wir essen, aber es ist alles sehr lecker und frisch zubereitet.

Wir lassen verschiedene Landschaften an uns vorbeiziehen; das Wetter wechselt zwischen starken Regengüssen und strahlendem Sonnenschein. Eine Fahrt der Gegensätze, auch was die Bewohner dieser Landstriche betrifft. So reihen sich kitschige, pompöse Villen an kleinste, halb verlotterte Häuser. Die Leute in Indien waschen ihre Wäsche und sich selbst im Fluss. Nebenan werden Fischernetze ausgeworfen. Auch hier herrscht ein buntes Treiben. Wir sehen andere Hausboote mit Touristen und winken ihnen zu. Zur Übernachtung wird unser Boot an einer Palme im Nirgendwo angebunden. Da kommt mir als Frau zuerst ein etwas mulmiges Gefühl hoch, doch ich vertraue darauf, dass schon viele vor mir dieselbe Reise unternommen haben. Als ich aufwache sind wir bereits wieder unterwegs und geniessen die morgendliche Frische bei einem Frühstück draussen auf der Aussichtsplattform des Bootes, bevor wir wieder am Pier abgeladen werden. Wenn auch sehr touristisch, kann ich eine solche Hausboot-Tour in Indien sehr empfehlen.

Die Teeplantagen von Munnar in Indien

In meinem Guide steht „eine interessante Fahrt führt Sie nach Munnar in Indien – von Meereshöhe hinauf auf 1700m“. Und die Fahrt ist tatsächlich ‚interessant‘, aber anders als gedacht, denn man kann sie durchaus mit einer sportlichen Schweizer Passfahrt vergleichen. Eine Haarnadelkurve reiht sich an die nächste; doch mache ich mir keine Gedanken. Ich bin ja erprobt – so denke ich, ohne mit dem Fahrstil der Inder gerechnet zu haben. Wo bei uns die Autos schön hintereinander und auf zwei Spuren fahren, so ignorieren die Fahrer in Indien (meiner inklusive) die zweispurige Fahrspur – und schwupps werden es vier Spuren. Dazwischen drängeln sich noch Tuk-Tuks; Autos bleiben plötzlich mitten in der Kurve stehen ohne ein Zeichen zu geben (die meisten, um ihre Frauen aussteigen zu lassen, da sie die Fahrt nicht vertragen). Ich versuche zu ignorieren wie steil es auf der Seite abwärts geht und sogar mein Magen rumort ein wenig. Ein kurzes Halleluja und drei Kreuze bei der Ankunft in Munnar.

Zuerst werde ich ausgeladen, um mir den kleinen Ort anzuschauen, der sowohl von Touristen wie auch von Einheimischen überfüllt ist. Danach geht es zur Führung durch die Teeplantagen und die dazugehörige Tee-Herstellungsfabrik. Der dortige Guide freut sich total an meinem Interesse (als Tee-Nerd…) und gibt mir eine extra Tour – natürlich mit Trinkgeld-Erwartung, aber das versteht sich ja von selbst. Im Laden werde ich natürlich ebenfalls fündig – alles bestens kalkuliert. Die Toiletten in Indien – wenn man sie so benennen kann – sind für Europäer sehr gewöhnungsbedürftig, aber auch das ist bekannt. Nun geht es – juhu – wieder die ganze Strecke runter. Dabei entdecke ich Kardamom- und Gummibaum-Plantagen sowie Teile von Tieren, die zum Ausbluten aufgehängt worden sind – ein Anblick auf den ich gerne verzichtet hätte. So freue ich mich heute auf ein strikt vegetarisches Abendessen mitten im Dschungel, denn mein heutiges Hotel befindet sich im Wald – weit und breit keine anderen Ortschaften oder Hotels (super entspannend bis auf die Mücken).

Spice Farm und Wildlife Reserve

Ziel des Tages ist es, bei Dämmerung im Periyar Wildlife Reserve anzukommen, um die wilden Tiere bei ihrer abendlichen Tränke am Stausee zu beobachten. Mein Fahrer bringt mich deshalb zuerst auf eine Spice Farm mit einer Führung durch den botanischen Garten. Eine wunderbare Idee, denn ich kaufe anschliessend gleich den halben Laden auf. Zuvor werde ich in die faszinierende Welt der heimischen Pflanzen eingeführt, von denen ich nicht einmal die Hälfte kenne. Zu jeder Pflanze wird erklärt wofür sie verwendet werden kann, doch ohne Stift und Block und nach über 30 Pflanzenarten gibt mein Gedächtnis irgendwann auf. Vielleicht liegt es auch an der sengenden Hitze. Doch die betörenden Düfte bleiben mir. Mit dem Thema Übergewicht im Koffer beschäftige ich mich später…

Pünktlich zur Abenddämmerung kommen wir im Wildlife Reserve an. Mitten im Park befindet sich ein riesiger Stausee mit einer kleinen Insel, auf welcher sich mein Hotel befindet. Ein Touristenboot mit vielen Einheimischen fährt zuerst in unendlicher Gemütlichkeit auf dem See herum, so dass wir die Tiere beobachten können, bevor ich am Pier der Insel abgeladen werde. Und es gibt viel zu sehen – unzählige Vogelarten, spielende Otter, verschiedene Reh-Arten, freche Affen, Schakale, Wildschweine und sogar zwei Elefanten. Man erklärt uns, dass es sogar Tiger gäbe, die Anzahl jedoch seit der Gründung des Parks drastisch gesunken ist, da einzelne Wärter mit den Wilderern zusammenarbeiten. Ich frage mich, warum kaum Gegenmassnahmen unternommen werden. Sehr traurig.

Meine Frühstückszeit korreliert mit der Jagdzeit der Schakale und so sehe ich mich zuerst gemütlich auf der Veranda essen, doch schon bald wandelt sich vor meinen Augen die Szene dramatisch. Die Rehe, die genauso gemütlich am Trinken waren, werden von den Schakalen mehrfach angegriffen und mir vergeht sogleich die Lust aufs Essen. Ist es zwar eine normale Alltagssituation im Wild Reserve Park in Indien, kann ich mich im Gegensatz zu den anderen Hotelgästen dem Spektakel nicht so freudig zuwenden. Die Rückfahrt mit dem Boot verläuft zum Glück etwas friedlicher.

Thanumalayan Tempel und die Stadt Kanyakumari, Indien

Im indischen Bundesstaat Tamil Nadu befinden sich gleich zwei Sehenswürdigkeiten. Bei der Stadt Suchindram befindet sich der Thanumalayan Tempel. Er ist einer von 108 Shiva Tempeln in Kerala und prominent vor allem durch seine Skulpturen. Es ist auch wirklich beeindruckend vor diesem blendend weissem Andachtsort zu stehen und die fantasievoll gestalteten Statuen zu betrachten. Beim Betreten zieht man selbstverständlich die Schuhe aus. Es herrscht eine von Kerzen und Räucherwerken durchflutete, friedvolle Stimmung. Überall werden Räucherstäbchen angezündet, auch den Touristen wird dies ans Herz gelegt – es bringt Glück (bzw. Unglück, wenn man es nicht macht – da sollte ich mein Schicksal wohl besser nicht herausfordern). Durch die Räume schlendernd, verliere ich jegliches Zeitgefühl. Beim Herausgehen muss ich mich zuerst wieder an die Sonne gewöhnen – ach ja, hatte ich die Hitze schon erwähnt? Meine Füsse sind dunkelschwarz und nirgendwo sehe ich Wasser zur Reinigung. Das scheint die Einheimischen nicht zu stören, munter schlüpfen sie in ihre Flip-Flops und gehen ihres Weges. Nur die Touristen kaufen reichlich Wasserflaschen ein.

Die Stadt Kanyakumari liegt am südlichsten Punkt des indischen Subkontinentes. Sie ist die zweite Sehenswürdigkeit von heute und gleichzeitig die Letzte vor meinem dreiwöchigen Ayurveda-Aufenthalt in Indien. Hier versammeln sich hinduistische Pilger und nehmen ein rituelles Bad im Meer. Der direkt am Kap gelegene Tempel ist der jungfräulichen Göttin Kumari Amman geweiht. Nur ein paar hundert Meter entfernt liegen zwei kleine Inseln im Meer. Auf dem einen Felsen steht das berühmte Vivekananda Felsen-Denkmal, welches dem gleichnamigen Hindu-Philosophen gewidmet ist. Unübersehbar ragt auf der anderen Insel die über 40 Meter hohe Tiruvalluvar Statue empor. Sie ist dem gleichnamigen tamilischen Dichter gewidmet. Beide Inseln sind via Boot erreichbar. Die kurze Fahrt ist sehr amüsant, da jeder Gast eine Schwimmweste tragen muss. In Eile darf man da nicht sein (generell nicht in Indien). Die sengende Hitze macht mir zu schaffen und so erfrische ich mich auf dem Rückweg am Saft einer Kokosnuss. Danach geht es ab ins angekündete ölige Vergnügen. Dies ist jedoch eine andere Geschichte.

Bilderquelle: Eigene Aufnahmen, Indien, Kerala

Hast du meinen Beitrag zu den Loire-Schlössern schon gesehen? Lass dich zu einem Frankreich-Trip inspirieren.

 

Literatur

  • Barkemeier, Martin und Thomas: Kerala mit Mumbai und Madurai. Handbuch für individuelles entdecken, Bielefeld 2012.